SAXORUM, Sächsische Landeskunde, digital

NS-Geschichte digital erforschen: Tageszeitung "Der Freiheitskampf" jetzt online verfügbar

Zugang gestalten? Wichtige Quelle zur Geschichte des Nationalsozialismus in Sachsen in den Digitalen Sammlungen der SLUB - den Umgang mit "schwierigem Erbe" diskutieren wir heute auf der Konferenz "Zugang gestalten!"

Von einer Hochburg der Sozialdemokratie zu einem "Mustergau" des Nationalsozialismus – die Wandlung Sachsens unter der NS-Herrschaft spiegelt sich auch in den Tageszeitungen der Zeit. Sie sind als Quellen umso wichtiger, da sowohl durch gezielte Aktenvernichtung als auch durch Kriegseinwirkungen viele Unterlagen zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und ihrer Gliederungen in Sachsen unwiderruflich verloren gegangen sind. Die Zeitung „Der Freiheitskampf“ als offizielles Organ der NSDAP im "Gau Sachsen" erschien von 1930 bis 1945 nahezu täglich. Im Rahmen des DFG-Projekts Digitalisierung historischer Zeitungen haben wir sämtliche bei uns vorliegenden Ausgaben digitalisiert. Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) erschließt die Einzelartikel dieser Zeitung inhaltlich in Form einer Online-Datenbank, um sie leichter recherchierbar und für wissenschaftliche Zwecke effektiver nutzbar zu machen.

Mit der Veröffentlichung eines solchen Bestandes sind natürlich viele Fragen verbunden, die bislang dazu führten, zunächst nur einen beschränkten Zugriff zu ermöglichen. Werden die antisemitischen und rassistischen Vorurteile der Nationalsozialisten mit ihren mörderischen Konsequenzen mit einer freien Veröffentlichung nicht neu in die Welt gebracht? Wie muss das für Betroffene der NS-Gewalt, ihre Angehörigen und Nachfahren wirken? Ist das ethisch und moralisch vertretbar? Wie ist das eigentlich in rechtlicher Hinsicht zu beurteilen? Quellen dieser Art dürfen nur zu Zwecken der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte zugänglich gemacht werden (§ 86 Abs. 3 StGB), worauf wir mit einem neuen Nutzungshinweis "Dokumente der NS-Zeit" hinweisen. Deswegen – und auch aus urheberrechtlichen Gründen – stellen wir den "Freiheitskampf" jetzt nicht unter einer freien Lizenz zur Verfügung, sondern mit dem Nutzungshinweis "Freier Zugang - Rechte vorbehalten".

Außerdem ist es wichtig, bei Recherchen weitere Presseerzeugnisse der Zeit zu berücksichtigen: Neben dem „Freiheitskampf“ erschienen bis 1943 noch weitere Tageszeitungen in Dresden, die vor 1933 dem liberalen und konservativem Spektrum zuzuordnen waren, während die sozialdemokratischen und sozialistischen Zeitungen wenige Wochen nach der Machtübernahme von den Nationalsozialisten verboten wurden. Es kann und soll also noch in den anderen Tageszeitungen recherchiert werden, um weitere politische Perspektiven und Differenzen in der Berichterstattung erkennen zu können. Deshalb gibt eine neue Themenseite in unserem Regionalportal Saxorum seit heute einen Überblick zu Tageszeitungen aus Dresden in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit. Sie bietet einen einfachen Zugriff auf die Digitalisate, sofern sie bereits vorhanden sind. Im Landesdigitalisierungsprogramm des Freistaates Sachsen werden sukzessive weitere Regionalzeitungen bearbeitet, auch aus den 1930er und 1940er Jahren. Eine überregionale Recherche ermöglicht seit einigen Tagen das neue Zeitungsportal der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), an dessen Entwicklung auch die SLUB beteiligt war – mehr dazu in Kürze hier im SLUBlog. Im Portal sind eine Reihe weiterer Zeitschriften aus der NS-Zeit verfügbar. Auch der "Freiheitskampf" wird demnächst integriert werden. Die DDB hat außerdem eine Virtuelle Ausstellung zum Thema konzipiert. Sie zeigt, „wie die Nationalsozialisten die zuvor plurale Presselandschaft der Weimarer Republik durch Terror, Verbote und Kontrolle zu einem willfährigen Instrument ihrer Herrschaft machten“. 

Die SLUB beschäftigt sich natürlich nicht allein mit der Frage, wie mit solchen Quellen im digitalen Raum adäquat umgegangen werden kann. Auf der Konferenz "Zugang gestalten!" steht am 4. und 5. November die Auseinandersetzung mit dem "schwierigen Erbe" in Bibliotheken, Archiven und Museen, aber auch auf Straßen und Plätzen ganz im Mittelpunkt. Dabei geht es nicht nur um die Hinterlassenschaften der NS-Zeit, sondern z. B. auch aus kolonialen Kontexten. Im Panel "Beispiele für den Umgang mit schwierigem Erbe" wird es heute auch einen Vortrag zum "Freiheitskampf" geben. Unter https://zugang-gestalten.org/live-stream/ können Sie live dabei sein.

Bei allen Herausforderungen, die damit einhergehen: Die Auseinandersetzung gerade mit diesen Aspekten des kulturellen Erbes ist mit Blick auf einen reflektierten Umgang mit der Vergangenheit unerlässlich. Die Onlinestellung des "Freiheitskampfes" bietet in diesem Sinne neue Möglichkeiten, v. a. im Zusammenspiel mit der Datenbank des HAIT und den dort für die Jahrgänge 1930 bis 1937 bereits verfügbaren Erschließungsinformationen. Um den Recherchekomfort zu erhöhen, ist an der SLUB außerdem eine automatische Volltexterkennung (OCR) der Zeitung in Arbeit. Hier werden wir in den nächsten Monaten weitere Ergebnisse liefern können.

"Der Freiheitskampf" in den Digitalen Sammlungen der SLUB

Dieser Beitrag erschien zuerst im SLUBlog am 4. November 2021.

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